Kernenergie


Kernenergie

 

Kernenergie

 
 

Geschichte der Kernenergie
Das Atomzeitalter begann im Jahr 1896, als der französische Physiker Becquerel entdeckte, dass das Element Uran radioaktive Strahlung abgibt. Darauf entwickelt Einstein im Jahr 1905 seine Relativitätstheorie, aus der er folgert, dass Masse in Energie umgewandelt werden kann. 1911 entwirft der englische Physiker Rutherford ein Atommodell, bei dem er zwischen Atomkern und Elektronenhülle unterscheidet. 1938 gelingt den deutschen Chemikern Hahn und Straßmann die erste Atomkernspaltung mit einer verhältnismäßig einfachen Versuchsanordnung: Sie schießen Neutronen auf Urankerne und weisen die entstehenden Bruchstücke nach. Ein Jahr später entdecken amerikanische Wissenschaftler, dass bei jeder Uran-Kernspaltung mehrere Neutronen frei werden und somit eine Kettenreaktion möglich sein muss. 1942 gelingt Enrico Fermi im “Chicago-Meiler” die erste kontrollierte Kettenreaktion. Allerdings hatte diese Entwicklung auch schreckliche Auswirkung auf die Kriegsführung. Man denke nur an die beiden Atombomben 1945 in Hiroshima und Nagasaki.  Das erste kommerziell genutzte Kernkraftwerk wurde 1956  im englischen Calder Hall in Betrieb genommen. Dieses hatte eine Leistung von 50 Megawatt. 1960 folgt der erste französische Atombombenversuch in der algerischen Wüste. Drei Jahre später unterzeichnen die USA, Großbritannien und die Sowjetunion einen Atomteststopp-Vertrag. 1964 startet China den ersten Atombombenversuch bei Lop Nor in der Provinz Xinjang. Im Jahre 1972 beginnt Österreich mit dem Bau des ersten Atomkraftwerks, jedoch hinderte eine Volksabstimmung 1978 die Inbetriebnahme dieses Kraftwerks. Die beiden Reaktorkatastrophen in Three Mile Island (USA) 1979 und Tschernobyl (Rus) 1986 stellten die Kernkraftsicherheit erstmals in Zweifel. 1991  gelang in der Londoner Forschungsanlage JET die erste kontrollierte Kernfusion. Vier Jahre darauf unternahm Frankreich von September 1995 bis Jänner 1996 sechs Atomtests auf dem Mururoa-Atoll. 1996 beginnt die umstrittene Zwischenlagerung in Gorleben, das in Norddeutschland liegt.

Was ist Kernenergie?

Kernspaltung Kernfusion

Kernenergie ist die Energie, die bei der Spaltung (Fission) oder Verschmelzung (Fusion)  von Atomkernen freigesetzt wird. Die Energiemengen, die sich aus Kernumwandlungen gewinnen lassen, übertreffen bei weitem die Mengen, die mit Hilfe anderer konventioneller Verfahren erhältlich sind. Prinzipiell wird Kernenergie beim radioaktiven Zerfall, bei der Kernspaltung oder bei der Kernfusion frei. Die Freisetzung äußert sich dabei in Form von schnell bewegten Teilchen (z. B. Alphateilchen) und in Form von Strahlung (z. B. Gammastrahlung). Bei diesem Vorgang entsteht Wärme, die man dann zur Erzeugung von Wasserdampf nutzt. Mit Hilfe des Dampfes werden in anschließenden Schritten Dampfturbinen angetrieben und auf diese Weise elektrischer Strom gewonnen. In bestimmten Fällen wird der Wasserdampf auch direkt für großtechnische Prozesse verwendet. Die Kernenergiegewinnung erfolgt in Kernkraftwerken bzw. Kernreaktoren. Außerdem setzt man kleine Kernreaktoren beispielsweise auch zur Energieversorgung von Raumstationen (Weltraumforschung: Raumstationen) und Satelliten ein.

Kernspaltung
Der Spaltvorgang, der durch die Aufnahme eines Neutrons in das Uran 235-Atom in Gang gesetzt wurde, setzt durchschnittlich 2,5 Neutronen aus dem gespaltenen Kern frei. Die so freigesetzte Neutronen lösen unverzüglich die Spaltung weiterer Atome aus. Dadurch werden vier oder mehr zusätzliche Neutronen frei, und es beginnt eine sich selbst erhaltene Folge von Kernspaltungen, eine Kettenreaktion, die ständig Kernenergie freisetzt. Die Kernspaltung ist die kommerzielle Form der Energiegewinnung.

Kernfusion
Eine künstliche Kernfusion wurde erstmals in den dreißiger Jahren durchgeführt, indem ein Ziel, das Deuterium – das Wasserstoffisotop mit der Masse 2 – in einem Zyklotron mit hochenergetischen Deuteronen (Deuteriumkernen) beschossen wurde. Für die Beschleunigung des Deuteronenstrahles war sehr viel Energie erforderlich, es wurde jedoch keine nutzbare Energie gewonnen. Bei den Tests von Atomwaffen in den Vereinigten Staaten, in der ehemaligen Sowjetunion, in Großbritannien und Frankreich wurden in den fünfziger Jahren erstmals große Mengen an Fusionsenergie unkontrolliert freigesetzt. Eine so kurze und unkontrollierte Freisetzung kann allerdings nicht für die Erzeugung von elektrischem Strom genutzt werden. Das erste Atomkraftwerk, das kommerziell genutzt wurde, entstand 1956 im englischen Calder Hall, das 50 Megawatt Leistung hatte. Bis heute wurden weltweit hunderte Kernkraftwerke gebaut und in Betrieb genommen.
Bei Kernspaltreaktionen kann sich das Neutron, das keine elektrische Ladung besitzt, leicht einem spaltbaren Kern nähern und mit diesem reagieren, z. B. mit Uran 235. Bei Fusionsreaktionen haben jedoch beide Kerne eine positive elektrische Ladung, und die elektrische Abstoßung (gleiche Ladungen stoßen sich ab) zwischen ihnen, die so genannte Coulombabstoßung, muss überwunden werden, bevor sie verschmelzen können. Dies ist möglich, wenn die Temperatur des reagierenden Gases ausreichend hoch ist: 50 bis 100 Millionen °C. Bei der Kernfusion kann man derzeit keine Energie gewinnen, da die Energie, die man braucht damit eine Kernfusion überhaupt stattfinden kann höher ist als jene, die man schließlich aus der Kernfusion „gewinnt“. Allerdings bietet die Fusionsenergie einige Vorteile (siehe: Vorteile der Kernenergie). In einem Gas aus den schweren Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium läuft bei dieser Temperatur die Fusionsreaktion  ab, wobei ungefähr 17,6 Megaelektronenvolt pro Fusionsvorgang freigesetzt werden. Die Energie liegt zunächst als kinetische Energie des Helium-4-Kernes und des Neutrons vor, wird aber unmittelbar darauf als Wärme an das Gas und in die umgebenden Materialien abgegeben.
Wenn der Druck des Gases ausreicht – bei diesen Temperaturen reicht ein Druck von 10–5 Atmosphären, also nahezu Vakuum –, kann der energiereiche Helium-4-Kern seine Energie auf das umgebende Wasserstoffgas übertragen, wodurch die hohe Temperatur erhalten bleibt und somit eine Kettenreaktion möglich wird: Man spricht dann von einer Kernzündung.

 Kernfission:

Kernfusion:

Kernfission und Kernfusion

Quelle: Microsoft Encarta 97


Kernreaktoren
Im Dezember 1942 gelang dem italienischen Physiker Enrico Fermi im Rahmen des “Manhatten-Projekts” die erste nukleare Kettenreaktion. Er verwendete dazu als Brennsubstanz natürliches Uran und als Bremssubstanz (Moderator) Graphit.
Die ersten Kernreaktoren wurden 1944 in den USA gebaut. Diese wurden aber rein zur Herstellung von Atombomben verwendet.

Reaktortypen
Es gibt eine Vielfalt von Reaktortypen, die sich durch den verwendeten Brennstoff, Moderator und Kühlmittel unterscheiden. Weiters unterscheidet man auch nach dem Zweck Leistungsreaktoren zur Energieerzeugung, Produktionsreaktoren zur Gewinnung von waffenfähigem Plutonium oder Uran, Antriebsreaktoren, Brutreaktoren, sowie Forschungsreaktoren. Großteils wird als Brennstoff Uranoxid verwendet, das auf etwa drei Prozent Uran 235 angereichert ist.

Leichtwasserreaktoren Antriebsreaktoren
Schwerwasserreaktoren Forschungsreaktoren
Druckwasserreaktoren Brutreaktoren
Siedewasserreaktoren

Leichtwasserreaktoren
Bei Leichtwasserreaktoren wird Wasser (mit gewöhnlichem Wasserstoff) zugleich als Moderator und Kühlmittel verwendet.

Schwerwasserreaktoren
Hier handelt es sich um Reaktoren, die nicht angereichertes Natururan und kein  gewöhnliches Wasser als Moderator verwenden. Bei solchen Reaktortypen wird anstelle von Wasser reiner Graphit (“schweres Wasser”) verwendet.

Druckwasserreaktoren
Im sogenannten Druckwasserreaktor steht das Kühlwasser unter einem Überdruck. Das Kühlwasser wird durch den Reaktorkern gepumpt und dort auf 325 °C erhitzt. Das überhitzte Wasser wird darauf durch einen Dampfgenerator gepumpt, wo mit Hilfe von Wärmetauschern in einem Sekundärkreis Wasser erhitzt und in Dampf umgewandelt wird. Dieser Dampf treibt über Turbinen Generatoren an und kondensiert zu Wasser, das zurück zum Dampfgenerator gepumpt wird. Der Sekundärkreis ist vom Kühlwasser des Reaktors getrennt und daher nicht radioaktiv. Ein dritter Wasserstrom, gespeist von einem Fluss oder einem Kühlturm, dient der Dampfkondensation.

Siedewasserreaktoren
Beim Siedewasserreaktor wird das Kühlwasser unter geringem Druck gehalten, sodass es im Reaktorkern siedet. Der im Reaktordruckbehälter entstehende Dampf wird direkt zur Turbine des Generators geleitet, kondensiert dann und wird zum Reaktor zurückgepumpt. Der Dampf ist dabei zwar radioaktiv, aber es gibt keinen Wärmetauscher zwischen Reaktor und Turbine, der den Wirkungsgrad verringert. Wie beim Druckwasserreaktor ist das Kühlwasser des Kondensators von diesem Kreislauf getrennt. Beim Hochtemperaturreaktor dient Graphit als Moderator und Helium als Kühlmittel.

Antriebsreaktoren
Diese Art von Reaktoren wird unter anderem  auch für den Antrieb großer Schiffe, z. B. für Flugzeugträger, verwendet. Diese Aggregate sind meistens ähnlich konstruiert wie Druckwasserreaktoren. Reaktoren, die für den Antrieb von U-Booten (Atomare Unterseeboote) sind in der Regel kleiner und verwenden höher angereichertes Uran, um einen kompakteren Reaktorkern zu ermöglichen.

Antriebsreaktor

Quelle: Microsoft Encarta 97

Forschungsreaktoren
Solche Kernreaktoren werden in vielen Länder benutzt. Sie dienen für Ausbildungs- und Forschungszwecken. Diese Reaktoren sind kleine Reaktoren die in der Regel eine Leistung von 1 Megawatt erbringen und können leichter angefahren und abgeschaltet werden als größere Kernreaktoren.

Brutreaktoren
Da die weltweiten Ressourcen an Uran, auf dem die Kernenergie beruht,  begrenzt sind,  ein gewöhnliche Kraftwerksystem eine relativ kurze Lebensdauer hat und nur etwa ein Prozent des Energiegehalts des Urans in einem solchen System genutzt wird, ist man daran interessiert Brutreaktoren zu bauen, die mehr Kernbrennstoff produzieren, als sie verbrauchen. Schnelle Brüter, die mit Natrium arbeiten, produzieren 20 Prozent mehr, als sie verbrauchen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kernreaktoren, in denen nur ein Prozent des Energiepotential von Uran genutzt  wird, nutzt dieser Reaktortyp  etwa 75 Prozent des Energiegehalts von Uran.

Urangewinnung

Urangewinnnung 1995

Länder

Tonnen Uran

Kanada

10515

Australien

3712

Niger

2918

USA

2380

Rußland

2100

Usbekistan

2000

Südafrika/Namibia

1650

Kasachstan

1640

Ukraine

1000

Frankreich

980

Gabun

650

Tschechische Republik

600

u.a. Deutschland

35


Die größten Uranreserven in Tonnen Uran nach IAEA 1995:

Länder

Tonnen Uran

Australien

911 000

Kasachstan

512 300

Kanada

475 000

Niger

471 590

Südafrika

444 660

USA

366 000

Rußland

299 700

Brasilien

256 000

Usbekistan

230 000

Ukraine

148 900


Das Y2K-Problem

Y2K: Mit Atomkraft ins neue Jahrtausend
Dass wir die Jahrtausendwende um ein Jahr zu früh feiern, hat man uns zur Genüge erklärt. Aber auch jene, die sich der Kabalistik einer Zwei mit drei Nullen verweigern, müssen Y2K zur Kenntnis nehmen. Das Beispiel Atomkraftwerke zeigt die Schwere des Computerproblems. Im Grunde weiß keiner etwas Genaues. Auch die Computer-Spezialisten können nur spekulieren, was in der Nacht vom 31. Dezember 1999 auf den 01. Jänner 2000 passieren wird.
Um Speicherplatz zu sparen, wurde  in den Anfängen des Computerzeitalters bei Jahreszahlen auf die ersten beiden Ziffern verzichtet. Das bedeutet aber, dass Computer 00 nicht für das Jahr 2000, sondern für 1900 halten. Die Einschätzungen, wie viele Computer an dieser Doppelnull-Hürde scheitern und welche Folgen das hat, liegen weit auseinander. Verliest sich ein Radiowecker ist das höchstens ärgerlich, passiert das einem Atomkraftwerk, gibt es ein gröberes Problem.
AKWs sind voll mit Computern und elektronischen Kontrollsystemen. Erst vor kurzem warnten die Grünen deshalb mit der Studie "Sylvester ohne Supergau!" vor einer Unterschätzung des Problems. Die meisten westlichen Ländern mit AKWs sind zwar spät dran, immerhin wird aber an dem Problem gearbeitet. Allein die USA investieren nach derzeitigem Stand 6,8 Milliarden US-Dollar in die Lösung dieser Fehlfunktion. Allerdings, selbst wenn ein Atomkraftwerk Jahr 2000-tauglich ist, können die Probleme zum Beispiel durch den Zusammenbruch der Stromversorgung und damit der Kühlsysteme von außen hereingetragen werden.
In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion und des Warschauer Paktes fehlt es wenige Monate vor der Jahrtausendwende zum Teil noch immer an Problembewußtsein und Know-How. Bei insgesamt 65 Atomreaktoren auf dem Gebiet der ehemaligen SU (davon 11 von der Bauart des Katastrophenreaktors Tschernobyl) durchaus ein Grund zur Besorgnis.
Die französische Firma COGEMA zum Beispiel hat sich für "Stop" entschieden und angekündigt, die Wiederaufbereitungsanlage La Hague für einige Zeit abzuschalten. Aber wie soll ein Land wie die Ukraine mit 40 Prozent Abhängigkeit von Atomstrom über Tage oder gar Wochen auf seine AKWs verzichten? Und so wenig wir über die Konsequenzen des Computerproblems wissen, eines ist gewiss: Die Jahrtausendwende findet im Winter statt.

Reaktorunfälle: Tschernobyl und Three Mile Island

Three Mile Island:
1979 ereignete sich im Druckwasserreaktor von Three Mile Island in der  Nähe von Harrisburg in Pensylvania (USA) ein Unfall durch Kühlwasserverlust. Der Reaktor wurde durch ein Sicherheitssystem abgeschaltet, und das Notkühlsystem nahm kurze Zeit nach Beginn des Unfalls seinen Betrieb auf. Dann wurde allerdings aufgrund menschlichen Versagens das Notkühlsystem abgeschaltet, wodurch es zu einem schweren Schaden im Reaktorkern und zum Austritt von flüchtigen Spaltprodukten aus dem Reaktorbehälter kam.

Tschernobyl:
Am 26. April 1986 explodierte einer der vier Kernreaktoren und geriet in Brand in Tschernobyl, das 130 Kilometer nördlich von Kiev liegt. Einem offiziellen Bericht zufolge verursachten die Betreiber durch einen nicht genehmigten Test die Katastrophe. Menschen in der Nähe des Reaktors wurden dadurch geschädigt. Eine Wolke mit radioaktiven Material zog über Skandinavien und Mitteleuropa. Im Gegensatz zu Reaktoren in anderen Ländern hatte dieser keine Sicherheitshülle und somit konnte radioaktives Material austreten. Ungefähr 135 000 Menschen wurden aus einem Gebiet von 1 600 Quadratkilometer evakuiert. Mehr als 30 Menschen starben in kurzer Zeit. Tausende von Menschen, besonders Kinder, leiden heute noch an den Folgen dieses Reaktorunfalles. Später wurde das Kernkraftwerk einbetoniert. Allerdings wurden 1988 die drei anderen Reaktoren wieder in Betrieb genommen. Auch der Unglücksreaktor wurde wieder angefahren. Erst durch den Widerstandes des Westen konnten sich die führenden Industrieländer (G7) sowie Russland und die Ukraine darauf einigen den Reaktor von Tschernobyl komplett stillzulegen.

Atomkraft in Österreich

Zwentendorf: Der Anfang vom Ende der österreichischen Atomenergie

Atomreaktorzentrum Seibersdorf

Zwentendorf: Der Anfang vom Ende der österreichischen Atomenergie

Während in Deutschland, der Schweiz oder in Schweden seit Jahren über den Ausstieg aus der Atomenergie gestritten wird, hat ein Land in Europa dieses Problem schon vor 20 Jahren nachhaltig und konsequent entschieden: Österreich. In einer bis heute beispielhaften gesellschaftlichen Auseinandersetzung zwischen Bürgerinitiativen auf der einen und mächtigen Industrieverbänden und der Regierung auf der anderen Seite gelang es, der österreichischen Atomwirtschaft ein schnelles und überraschendes Ende zu bereiten.
In den späten Sechzigerjahren fiel in Österreich die Entscheidung zum Start eines Nuklearprogramms. Eine Planungsgesellschaft für Atomkraftwerke wurde gegründet. 1972 begann die deutsche Kraftwerksunion (damals Siemens und AEG) mit dem Bau des ersten österreichischen AKWs in Zwentendorf (ca. 30 km donauaufwärts von Wien). Dieser Siedewasserreaktor mit einer Leistung von 700 Megawatt sollte 10% des in Österreich produzierten Strom erzeugen.
Anfang 1974 wurde eine Errichtungsgesellschaft für ein zweites AKW gegründet. Die kleine, aber seit den Sechzigerjahren wachsende Anti-AKW-Bewegung konzentrierte sich auf die Verhinderung dieses Atomkraftwerkes.
Ende 1974 wurden die Pläne zum Bau des zweiten Atomkraftwerkes zurückgestellt, teils weil sich die Zunahme des Stromverbrauchs verlangsamte, teils wegen der starken Proteste gegen das Projekt.
Sowohl die regierende Sozialistische Partei (SPÖ), als auch die sich in Opposition befindende Volkspartei ÖVP waren damals zum Teil pronuklear. Nur die Freiheitliche Partei FPÖ war etwas kritischer eingestellt. 1975 sah der offizielle Energieplan vor, dass 1985 drei AKWs rund 3.000 Megawatt Strom produzieren sollten.
Im Herbst 1976 startete die Regierung eine Informationskampagne mit dem Ziel, die Nutzung der Atomenergie zu  rechtfertigen. Doch der Effekt war gegenteilig. Erstmals erschienen in den Zeitungen nuklearkritische Artikel und die Anti-Atom-Bewegung erfuhr einen Aufschwung. Speziell das ungelöste Problem der Atommüll-Lagerung sorgte für Diskussionen. Erstmals konnte man die Inbetriebnahme von Zwentendorf in Frage stellen, ohne sofort als „Spinner“ gebrandmarkt zu werden. Viele Gründe sprachen gegen die Atomkraft.

Die vielleicht wichtigsten waren:

Pro-Argumente hingegen waren :

Viele Aktivitäten fanden statt. So wurde im April 1977 in Salzburg von NGOs aus mehreren Ländern eine internationale Konferenz für eine nicht-nukleare Zukunft abgehalten. Im Herbst 1977 gab es große Demonstrationen in Zwentendorf und den Großstädten. Im Dezember des Jahres verhinderten AKW-Gegner durch die Androhung von Aktionen die geheime Lieferung von nuklearen Brennstoff für Zwentendorf. Um Widerstand zu vermeiden, wurde der Abtransport der Brennelemente auf 1978 verschoben und dann von Bundesheerhubschraubern durchgeführt. Das Kraftwerksgelände selbst war von starken Polizeikräften abgeriegelt. Alle Formen des antinuklearen Widerstandes waren völlig gewaltlos.
Atomkraft im Allgemeinen und die Inbetriebnahme von Zwentendorf im Besonderen wurden zu einem heißen politischen Thema. Die Regierung gab die Entscheidung an den Nationalrat weiter. Die alleinregierende SPÖ war überzeugt, dort mit der größten Oppositionspartei, nämlich der ÖVP, zu einem Übereinkommen zu gelangen. Waren doch viele einflussreiche Sektoren innerhalb der Volkspartei deutlich atomfreundlich. Die Regierung übermittelte einen Bericht über die Kernenergie an das Parlament. Dieser wurde als Zusammenfassung einer beeindruckend großen Menge an Papier präsentiert und war extrem einseitig und pronuklear. Er zeigte aber auf, dass die Regierung einige wichtige Fragen offen ließ, die während ihrer eigenen Informationskampagne aufgeworfen wurden. Der alte Vorwurf der Atomkraftgegner, dass die Informationskampagne nur zur Beruhigung der Bevölkerung gedacht war, erwies sich als richtig.
In den darauf folgenden parlamentarischen Hearings wurden einige Sicherheitsdefizite des Standortes und der Konstruktion von Zwentendorf, aber auch das Fehlen wichtiger Untersuchungen (so gab es keine radioökologische Studie) von den AKW-Gegnern aufgedeckt. Dies führte zu einem Meinungsumschwung bei der Volkspartei. So erklärte ÖVP-Obmann Taus, dass er zwar die Atomkraft befürworte, aber wegen von Sicherheitsmängeln gegen die Inbetriebnahme von Zwentendorf sei.
Der Widerstand gegen das Atomprojekt war nun so groß, dass die Partei die Nationalratswahlen verlieren würde, die für die Inbetriebnahme von Zwentendorf verantwortlich wäre. Die SPÖ-Regierung wagte es nun nicht, das Parlament über Zwentendorf entscheiden zu lassen, war doch die Unterstützung durch die ÖVP und Vorarlberger SP-Abgeordnete ungewiss. Die Vorarlberger hatten nämlich gerade erfolgreich gegen das Rüthi-Projekt gekämpft, in dessen Rahmen die Schweiz ein AKW direkt an der Grenze zu Vorarlberg bauen wollte. Die Bevölkerung Vorarlbergs war zu einem überwältigenden Anteil antinuklear und fürchtete, dass die Inbetriebnahme von Zwentendorf ihre Verhandlungsposition schwächen würde.
Im Juni 1978 gab Bundeskanzler Kreisky - der bis dahin die Entscheidung über Zwentendorf als völlig ungeeignet für eine Volksabstimmung bezeichnet hatte - bekannt, dass am 5. November ein Referendum darüber abgehalten würde. Die pronuklearen Kräfte gingen mit vielen Ressourcen in diese Auseinandersetzung. Allein der staatliche Verbundkonzern gab 30 Millionen Schilling Steuergelder für seine Werbekampagne aus. Weitere Dutzende Millionen Schilling kamen von der Industriellenvereinigung, dem ÖGB und der SPÖ.
Die Zwentendorf-Gegner hatten nicht die finanziellen Möglichkeiten wie die Politiker,  ihre Aktivitäten waren jedoch sehr erfolgreich. Eine bunte Koalition verschiedenster Organisationen wurde aktiv. Mehrere Koordinationszentren - eines davon von den Österreichischen HochschülerInnen - und zwei Dachorganisationen wurden gegründet. Die Zusammenarbeit zwischen Bürgerinitiativen und kritischen Wissenschaftern war hervorragend. In den großen Zeitungen wurde der Zwentendorf-Abstimmung breiter Raum eingeräumt. Alle Aspekte wurden breit diskutiert. Dennoch herrschte nur geringe Hoffnung auf eine antinukleare Mehrheit.
Doch das Undenkbare passierte
Am 5. November 1978 stimmte eine hauchdünne Mehrheit von 50,5% gegen die Inbetriebnahme von Zwentendorf. Fast zwei Drittel der Wahlberechtigten, nämlich 3,26 Millionen, gingen zur Abstimmung. Die Tatsache, dass sich eine enthusiastische Bürgerinitiative gegen die einflussreichsten Interessensvertretungen und die Regierungspartei durchsetzen konnte, gilt als bemerkenswert in der Zweiten Republik.
Eine hauchdünne Mehrheit von 20.000 Stimmen brachte die Ablehnung für die Atomkraft in Österreich. Die Regierung und die Parteien reagierten prompt: Nur wenige Wochen nach der Abstimmung wurde am 15. Dezember 1978 im Nationalrat einstimmig das "Atomsperrgesetz" verabschiedet, das die Stromerzeugung aus Kernspaltung in Österreich verbietet. Diese Entscheidung machte einen der letzten Industriestaaten ohne Atomkraft zu einem der ersten Industriestaaten ohne Atomkraft.
Nur wenige Monate nach dem Referendum ereignete sich der Unfall im AKW Three Mile Island in den USA. Vielen Menschen wurde dann klar, wie weise das "Nein" gegen Zwentendorf war. Es folgten einige Initiativen seitens der E-Wirtschaft und der Gewerkschaften, doch noch eine Inbetriebnahme von Zwentendorf zu erwirken. Diese Träume mussten nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl im Jahre 1986 endgültig begraben werden.

Atomreaktorzentrum Seibersdorf

Da Österreich jede Tätigkeit auf dem Gebiet der Atomenergie untersagt gewesen war, wurde 1956 von der Bundesregierung gemeinsam mit 52 staatlichen und privaten Unternehmungen die “Ö. Studienges. F. A. Gmbh” gegr. Und mit dem Bau eines “Leistungsreaktors als Lernmodell” beauftragt. Mit Unterstützung der Atomenergie-Kommission der USA wurde bis 1960 des Atomreaktorzentrum bei Seibersdorf südöstlich von Wien errichtet. Es umfasste ursprünglich den Atomreaktor ASTRA, Institut für Elektrotechnik, Physik, Chemie, Metallurgie, Biologie und Landwirtschaft, ein Strahlenschutzinstitut und ein Laboratorium der IAEA (International Atomic Energy Agency). 1962 ging ein Versuchsreaktor des Atominstitutes der österreichischen Hochschulen bei der Stadionbrücke im Wiener Prater und 1963 ein weiterer Studienreaktor in Graz in Betrieb. All diese österreichischen Reaktoren dienen jedoch nicht der Energiegewinnung, sondern der Forschung.

Atomkraft in Europa
Europaweit sind derzeit in 17 Ländern 218 Kernkraftwerke (weltweit 434) mit einer Leistung von 178 Millionen Kilowatt in Betrieb. 151 dieser Anlagen werden in den Staaten West- und Südeuropas sowie in Skandinavien zur Nuklearstromerzeugung eingesetzt. Die GUS-Länder (einschl. Armenien und Kasachstan) betreiben 49, die mittel- und osteuropäischen Länder insgesamt 18 Kernkraftwerke.  Spitzenreiter in Europa ist im Ländervergleich Frankreich mit 56 Kernkraftwerken, die rund 75 Prozent des Strombedarfs decken. Deutschland erzeugt in 20 Anlagen rund ein Drittel des benötigten Stroms mit Kernenergie. Europaweit sind 25 Kernkraftwerke in Bau. In 15 der 17 europäischen Staaten mit eigener Kernenergiewirtschaft stammt mehr als 20 Prozent der Stromproduktion aus Kernenergie. In sieben Ländern liegt der Anteil sogar über 40 Prozent.

Atomenergie in der EU
In der Europäischen Union wurden 1997 wie im Vorjahr 36 Prozent des Stroms aus Uran erzeugt: rund 812 (1996:803) Milliarden Kilowattstunden (Mrd. KWh) Strom stammt aus Kernkraftwerken. Die gesamte Stromproduktion der 15 EU-Staaten lag bei 2246 (2222) Mrd. KWh Strom. Das ergab eine Umfrage des Brüsseler Büros der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), Frankfurt am Main.
In acht Staaten der EU wurde 1997 Strom in Kernkraftwerken erzeugt. Spitzenreiter war Frankreich mit einem Anteil der Kernenergie von 78 Prozent an der Netto-Stromerzeugung des Landes. Auf dem zweiten Rang lag Belgien mit 60 Prozent, gefolgt von Schweden mit 46 Prozent. Gleichauf lagen Spanien und Deutschland mit je 32 Prozent Kernenergieanteil. In Finnland wurden laut VDEW 30 Prozent des Stroms aus Kernenergie gewonnen. In Großbritannien waren es 29 Prozent. Den achten Rang belegten die Niederlande mit drei Prozent Strom aus Uran.


Atomenergie weltweit

Am 1.2. 1998 waren weltweit in 31 Staaten 433 Kernkraftwerksblöcke mit einer Bruttoleistung von insgesamt 367649 Megawatt (MW)  in Betrieb, davon 343 Leichtwasserreaktoren. Die Stromerzeugung durch Kernkraftwerke betrug 1997 (1996) 2,334 (2,308) Mrd. Gwh (ohne die VR China, für die keine Daten vorliegen). Kernenergie lieferte 1997 rund 17 Prozent der Weltstromproduktion. 1997 wurden in drei Ländern insgesamt sieben Kernkraftwerksblöcke mit einer Bruttoleistung von 8784 MW in Betrieb genommen, davon drei in Frankreich und je zwei in Japan und der Republik Korea. Anfang 1998 waren 46 Blöcke in 17 Ländern im Bau. Endgültig stillgelegt wurden 1997 vier Blöcke in den USA und je ein Block in Kanada und den Niederlanden. Durch diese Zahlen kann man schließen, dass die Atomenergie trotz der vielen Nachteilen und Risken weiter auf Vormarsch ist.
Das
Problem der Statistiken ist, dass bei manchen Quellen Forschungs- Versuchsreaktoren oder zeitweilig abgeschaltete Kraftwerke einbezogen werden. (alle Daten aus Fischer WA)

Länder

Strom aus Kernenenergie (%)

Betr. Reaktoren

Litauen

82

2

Frankreich

78

56

Belgien

60

7

Schweden

46

12

Deutschland

32

20

Japan

35

51

Finnland

30

4

Großbritannien

28

35

USA

20

109

Kanada

14

21

Rußland

14

29

Welt

17

437

(Quelle:  Inernational Atomic Energy Agency (IAEA), Wien)
(Quelle: Freiburger Öko-Institut)

 

 

 

Nachbarländer Österreichs

Strom aus Kernenergie (%)

Betr. Reaktoren

Deutschland

32

20

Italien

keine Angaben

keine Angaben

Lichtenstein

keine Angaben

keine Angaben

Schweiz

40

5

Slowakai

44

4

Slowenien

39

1

Tschechien

20

4

Ungarn

42

4

(Quelle:  Feiburger Öko-Institut)


Schlussfolgerung
Nach derzeitigem Stand ist die Kernenergie eine nicht zu vertretbare Energieform. Obwohl die  wirtschaftlichen Aspekte der Kernenergie durchaus interessant sind und die Kernenergie oftmals als eine “umweltfreundliche” Energieform dargestellt wird, so stellen die Risiken, die man beim Betrieb eines Kernkraftwerks eingeht, das Problem der Endlagerung und die Nutzung von Kernkraftwerken zur Herstellung von Kernwaffen,  die „Vorteile“ dennoch in den Schatten.

Literaturliste:

Download:


Zentrum für innovative Pädagogik

EnergieAG

Autor: Clemens Schmutz
 Pädagogischen Akademie der Diözese Linz
Layout. Maria Astleithner
Letzte Aktualisierung:   26 Sep 2000

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