Beim Kampf gegen Saddam Hussein geht es um Interessen, nicht um Werte

IRAK: Eine strategische Drehscheibe im Konflikt um Erdöl, Israel, die Kurden und Iran
Der Irak

 

Der Irak ist der wichtigste Bestandteil der von US-Präsident George Bush erdachten "Achse des Bösen". Und tatsächlich ist Saddam Hussein ein selbst für die gewalttätigen Traditionen des Nahen Ostens bemerkenswerter Schlächter.

Doch die Geschichte der letzten zwei Jahrzehnte hat hinlänglich bewiesen, dass es in der Auseinandersetzung um den Diktator kaum um moralische Kategorien geht. Als 1979 der prowestliche Schah Irans durch den schiitischen Revolutionär Ayatollah Khomeini gestürzt wurde, war Saddam Hussein ein hoch geschätzter Verbündeter der westlichen "Wertegemeinschaft". Für Saddams Angriffskrieg gegen Iran lieferten US-Amerikaner, Franzosen, Briten und Deutsche Waffen und technisches Know-how. Und im Dienste der guten Sache durfte Saddam auch Giftgas einsetzen.

Erst der Angriff gegen das prowestliche Kuwait machte Saddam Hussein über Nacht zum "neuen Hitler" (George Bush senior). Auf den Sturz des Diktators aber verzichteten die Alliierten 1991 wohlweislich, nachdem sie die irakische Militärmaschinerie zerschlagen und Kuwait befreit hatten. Denn sie plagte die Angst vor einem Zerfall des Irak oder einer Machtübernahme der schiitischen Bevölkerungsmehrheit und damit einer Achse Damaskus-Bagdad-Teheran.

Zwielichtige Sanktionen

Dementsprechend zwielichtig fiel auch die Sanktionspolitik nach dem Sieg über Saddam Hussein aus. Das prowestliche Jordanien durfte weiterhin irakisches Öl kaufen, weil es sonst in eine schwere Krise geschlittert wäre. Die Grenze zur Türkei blieb ebenfalls offen, um den mit dem Westen verbündeten irakischen Kurden ein wirtschaftliches Auskommen zu sichern. Am besten verdiente am legalisierten Schmuggel freilich die Familie Saddam Hussein.

Keinen Finger rührte der Westen, als Saddam Hussein daran ging, die Aufstände der Schiiten im Süden niederzuwerfen. Der Diktator konnte problemlos die "Sumpfaraber" vertreiben, die eine 5000 Jahre alte Tradition des Lebens auf Schilfinseln und in Kanus weitergeführt hatten. Ein ganzes Ökosystem, Lebensgrundlage von 500.000 Menschen, wurde durch Trockenlegung vernichtet, weil Oppositionelle in den Sümpfen Zuflucht gefunden hatten.

Hätte sich Saddam Hussein damit begnügt, die eigene Bevölkerung abzuschlachten, wäre er kaum in Bedrängnis geraten. Doch seit er die UN-Waffeninspektoren 1998 hinauswarf, hat sich der Verdacht eingenistet, dass der Diktator seine alten Pläne für die Herstellung atomarer, biologischer und chemischer Waffen sowie weitreichender Raketen wieder zu verwirklichen sucht.

Die Terrorschläge vom 11. September 2001 und der leichte militärische Erfolg in Afghanistan haben die USA davon überzeugt, nun auch gegen Saddam vorzugehen.

Dabei geht es um ein großes strategisches Ziel. Gelingt es, einen prowestlichen General an die Spitze des Irak zu setzen, fallen auch die zweitgrößten Erdölreserven der Welt unter die Kontrolle Washingtons. Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate sind dann politisch und militärisch abgesichert. Gleichzeitig erhöht sich der Druck auf Syrien, Frieden mit Israel zu machen. Iran, von Bush ebenfalls der "Achse des Bösen" zugeordnet, wird weiter isoliert. Und im Zusammenspiel zwischen Bagdad und Ankara lässt sich auch die heikle Kurdenfrage leichter entschärfen.

Auf dem Papier eine faszinierende Option. Doch schon denken manche in Ankara über einen Anschluss des ölreichen Nordirak an die Türkei nach. Und in der islamischen Welt wächst die unberechenbare Wut über die "christlichen Kreuzritter".

Die schwierige Suche nach einem Ersatz für Saddam

Saddam Hussein muss gestürzt werden - darüber sprechen westliche Politiker laut und arabische Politiker leise. Doch das Problem ist: Wer soll die Nachfolge des Diktators antreten?

Der Irakische National-Kongress (INC), der von den USA finanziell unterstützt wird, hat sich als wenig wirksames Sammelbecken der Opposition erwiesen, zumal die schiitische Mehrheit der Bevölkerung im INC kaum vertreten ist.

Die USA suchen daher seit einigen Monaten nach einem irakischen General, der Saddam Hussein ablösen, die Einheit des Irak gewährleisten und eine Westorientierung des Landes garantieren soll.

Als Favorit wird der ehemalige Generalstabschef General Nizar Khazraji genannt, der 1998 nach Dänemark geflohen war. Der General gilt freilich als Mitverantwortlicher für den Giftgasangriff auf die kurdische Stadt Halabja, bei dem im März 1988 an die 5000 Menschen ums Leben gekommen waren.

Der IRAK

Der Diktator

Saddam Hussein al Takriti (64) herrscht seit 1979 als Staatschef, tatsächlich war er aber bereits seit dem Putsch der Baath-Partei von 1968 der starke Mann des Landes. Er stützt sich auf die sunnitische Minderheit, die Armee und Geheimdienst dominiert. Eigentlicher Pfeiler der Macht ist der Familienclan aus der Ortschaft Takrit. Saddams älterer Sohn Udai, wegen seiner Grausamkeit gefürchtet, ist seit einem Attentat behindert. Der jüngere Sohn Kusai kontrolliert die Republikanische Garde und ist vom Vater als Nachfolger ausersehen.

Das Land

Mesopotamien, das Land zwischen Euphrat und Tigris, zählt zu den ältesten Kulturregionen der Welt. Nach dem Ende des Osmanischen Reiches 1918 wurde das Gebiet britische Kolonie und erhielt 1932 die Unabhängigkeit. Sein Reichtum gründete zunächst auf der Fruchtbarkeit des Zwischenstromlandes, später kam als entscheidender Faktor das Erdöl dazu, das rund 95 Prozent der Exporterlöse liefert. Mit geschätzten 112,5 Milliarden Fass besitzt der Irak nach Saudi-Arabien die größten Ölreserven der Welt.

Die Menschen

Die Bevölkerung vereint höchst unterschiedliche ethnische und religiöse Gruppen. Im Norden dominieren die untereinander zerstrittenen Kurden, die überwiegend sunnitische Moslems sind. Im Zentralraum leben Araber, die sich zur sunnitischen Richtung des Islam bekennen, dazu kommt eine vergleichsweise starke christliche Minderheit. Im Süden leben Araber der schiitischen Glaubensrichtung des Islam, die mit den Städten Kerbela und Nadschif hier zwei ihrer wichtigsten Heiligtümer hat.

Die Partei

Die "Bewegung der Arabischen Wiedergeburt" (Baath) wurde 1940 von dem Christen Michel Aflaq und dem Moslem Salah Bitar in Damaskus gegründet. Grundpfeiler sind arabischer Nationalismus und Sozialismus. Die Baath-Partei sprach vor allem die in den Armeen Syriens und des Irak stark vertretenen religiösen (Alawiten, Christen) und ethnischen Minderheiten an. In Syrien kam die Partei 1965 endgültig an die Macht, im Irak 1968. Die beiden Flügel der Partei sind jedoch miteinander erbittert verfeindet.

Die Streitkräfte

Die Armee (375.000 Mann) ist nach den Geheimdiensten die wichtigste Stütze des Regimes. Allerdings gilt die reguläre Armee als wenig zuverlässig, es kommt laufend zu blutigen Säuberungen. Die Eliteeinheiten der Republikanischen Garde sind besser bewaffnet und bezahlt. Große Teile des Materials sind veraltet. Es wird vermutet, dass der Irak weiterhin versucht, atomare, biologische und chemische Waffen herzustellen.

Quelle:OOENachrichten 14.02.2002