Traunstein (copyright BMWVK)
Etwa von der Arlberglinie ostwärts bis zum Quertal der Kitzbüheler Ache hat die nördliche Kalkalpenzone Kettencharakter. Dieses Gebirge stellt sich den nördlichen Strömungen frontal entgegen und wirkt dadurch als Wetterscheide. Auch die Lechtaler Alpen und das Wettersteingebirge sind Kettengebirge. Die Nordkette, die Bettelwurfkette, die Birkkarkette und die Vordere Karwendelkette sind ein wirksamer Klimaschutz, dem das Tiroler Inntal sein mildes, bevorzugtes Wetter verdankt.
Kettengebirge sind ausgeprägte Wetterscheiden. Die Luft wird gezwungen, das Gebirge zu überströmen. Es wird an jener Seite des Kettengebirges, die sich der Strömung entgegenstellt (dieser Teil des Gebirges wird Luvseite genannt), ein Anheben der Luft erzwungen. In der aufsteigenden Luft sinkt die Temperatur und führt damit zu einer Erhöhung der relativen Luftfeuchtigkeit der Luft. Bei weiterem Auftrieb sinkt die Temperatur auf einen Wert, bei dem der Wasserdampf für die Luftmasse zu viel wird: sie scheidet ihn aus in Form von winzigen, in der Luft schwebenden Wassertröpfchen; es bilden sich Wolken. Das Kettengebirge umwölkt sich also von der Luvseite her. Setzt sich der Luftauftrieb fort, dann können sich in der Wolke auch größere Tropfen bilden, die so schwer werden, daß sie ihren Schwebzustand aufgeben müssen und zu Boden fallen - es beginnt an der Luvseite zu regnen. So bilden sich an der Luvseite so lange Wolken und Niederschläge, bis die Strömung nachläßt oder in eine andere Richtung dreht. Deshalb ist der Schnürlregen im Salzkammergut oft von längerer Dauer, weil sich durch den Nordstaueffekt ständig Wolken und Niederschläge bilden.
Der gegenteilige Effekt tritt an dem der Strömung abgewendeten Teil des Gebirges auf, der also im Lee des Gebirges liegt. Die Strömung senkt sich im Lee etwas gegen den Talgrund. Diese absteigenden Luftmassen geraten unter immer höher werdenden Luftdruck, da dieser gegen den Talgrund zu größer wird. Die Luftmassen werden komprimiert und daher kommt es zu einer Erwärmung der Gase. Also erhöht sich die Temperatur und gleichzeitig sinkt ihr Feuchtigkeitsgehalt, sie wird trockener. In der beim Abstieg von den Gebirgskämmen trockener werdenden Luft kommt es zur Wolkenauflösung, zur Aufheiterung. Während also im Luv des Gebirges ausgesprochenes Schlechtwetter herrscht, hat man gleichzeitig im Lee Schönwetter.
Markante Wetterunterschiede, verursacht durch die Position von Orten zum Gebirge, treten zum Beispiel zwischen den nicht weit voneinander entfernten Städten Kufstein und Kitzbühel auf (Luftlinie 25 km). In Kufstein überwiegen, entsprechend dem Talverlauf des Inn und der Öffnung gegen Walchsee, Winde aus Nord bis Nordost, in Kitzbühel dominiert der Westwind. Die mittlere jährliche Niederschlagsmenge beträgt für Kufstein 1327 mm, für Kitzbühel nur 1272 mm. Die reichlichen Niederschläge in Kufstein werden durch das Kaisergebirge verursacht. Kitzbühel verdankt die geringere Jahressumme seiner Leeposition zum Kaisergebirge, zur Hohen Salve und zum Kitzbüheler Horn.
Außergewöhnlich hohe Niederschläge verzeichnen Alt Aussee mit 2207 und der Feuerkogel mit 2400 mm. Der ganze Nordabfall der nördlichen Kalkalpen ist niederschlagsreich. In Vorarlberg fallen in den höheren Lagen 2000 mm Niederschläge, im bayerisch-tirolerischen Grenzbezirk den Kalkalpen entlang um 1800 mm, während im obersten Inntal nur 600 mm verzeichnet werden.
Als Regenwinde kommen für die nördlichen Kalkalpen die häufigen Winde aus West, Nordwest und Nord in Betracht. Ehe der Nordwestwind beispielsweise das Inntal überwehen kann, muß er auf der Nordseite der Kalkalpen aufsteigen, woraus sich der Niederschlagsreichtum der nördlichen Randzone erklärt. Das Inntal liegt im Lee der großen Gebirgsketten, daher sind seine Niederschlagsmengen wesentlich niedriger. Innsbruck verzeichnet eine jährliche Niederschlagsmenge von 876 mm.
Neben den nördlichen Winden treten fast ebenso häufig Winde aus Süd bis Südwest auf. Sie wehen als Föhn in die Täler herab und wirken temperaturerhöhend. Hauptmerkmal des Föhnwindes ist, daß er von einem Gebirgskamm oder Gebirgssattel herabweht und dabei warm und trocken ist, obwohl er von sehr kalten, schneebedeckten oder vergletscherten Regionen kommt.
Die Luft auf den Alpenkämmen enthält nur wenig Wasserdampf; der meiste wird als Stauniederschlag im Luv des Gebirges ausgeschieden. Erreicht die Luft als Föhn im Lee die Talsohle, so erscheint sie bei der hohen Temperatur als relativ sehr trocken. Ihre relativ geringe Feuchtigkeit bewirkt jene bei Föhnwetter herrschende große Klarheit und Durchsichtigkeit der Luft und die dadurch gewährleistete überaus gute Fernsicht.
Der Föhn folgt im allgemeinen der Talrichtung. An der Nordseite der Alpen kommt er aus Südost, Süd, Südwest oder Westsüdwest. In den Nordalpen erstreckt sich sein Hauptgebiet zwischen Genf und Salzburg.
In Österreich gibt es vom Bodensee bis in die Gegend von Lilienfeld eine ganze Reihe von Föhnorten bzw. Föhntälern und -landschaften. In Vorarlberg sind die Hauptföhngebiete das Illtal bei Bludenz und das Rheintal bis zum Bodensee. In Tirol ist der Föhn in jenen Tälern am intensivsten, die gerade und nordsüdlich verlaufend vom Inntal zu den Zentralalpen hinaufführen und mit Südtirol durch eine Senke verbunden sind, zum Beispiel das Wipptal oder das Stubaital.