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Schwarzunternehmer |
Der Bauarbeiter hat von seinem Boß ein Handy bekommen. Nicht
für Privatgespräche. Denn auf der Baustelle arbeiten illegal
beschäftigte Handwerker, und er ist jetzt Teil eines
ausgeklügelten Bewachungssystems: An allen Ausgängen der
Baustelle stehen Wachposten. Via Handy verständigen sie die
Vorarbeiter der illegalen Truppen, sobald sich "verdächtige
Personen", also Kontrollore, nähern.
Die Undercover-Arbeiter verlassen daraufhin fluchtartig die
Baustelle auf Schleichwegen. Leopold Jennersdorfer,
stellvertretender Leiter des Zentral-Arbeitsinspektorats, weiß,
daß solche Praktiken gang und gebe sind. Trotzdem sind sie
durchsichtig: "Wenn wir auf einer Baustelle auftauchen, und
es sind nur wenige Menschen dort, dann wissen wir, was da los
ist. Da kommen wir ein wenig später mit der Polizei wieder. Und
damit sind die Ausgänge versperrt."
Gesetz gegen Schwarzarbeit
Friedrich Schneider, Experte für Schattenwirtschaft an der
Uni-Linz, erstellt jährliche Prognosen. Seine jüngste
Erkenntnis zum Thema: Der Trend zur Schwarzarbeit ist ungebremst.
Bis zum Ende des Jahres 1998 werden in der Schattenwirtschaft 231
Milliarden Schilling umgesetzt. Das sind um zehn Milliarden
Schilling mehr als im Vorjahr.
![]() GB-Experte Bernhard Achitz: "Illegale Beschäftigung fördert Lohn- und SozialdumpingÒ |
Verglichen mit anderen EU-Ländern (siehe Grafik Seite 18) ist
der Anteil der heimischen Schattenwirtschaft mit vier bis sieben
Prozent relativ gering. Die Folgen sind jedoch enorm: Da sich
Schwarzunternehmer Steuern und Sozialabgaben ersparen, entgehen
der öffentlichen Hand Milliardenbeträge. Zudem kommt es zu
großen Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Unternehmen im In-
und Ausland. In weiterer Folge bringt illegale Beschäftigung
Schlepperunwesen, Billigarbeiter-Tourismus, Dumping bei Löhnen
und Arbeitsbedingungen, Kürzungen bei Sozialleistungen sowie
Gefahr für die bestehenden Arbeitsplätze mit sich.
Daher soll der Schattenwirtschaft nun mit einem neuen Gesetz ein
Riegel vorgeschoben werden. Grundlage ist das Programm einer
Arbeitsgruppe, in der auch ÖGB-Experten mitgearbeitet haben.
"Es geht dabei aber keinesfalls darum, den Freund oder
Nachbarn, der einem zum Beispiel beim Häuslbauen hilft, ins
Kriminal zu stellen", erklärt dazu Bernhard Achitz, Leiter
der Sozialpolitik im ÖGB. Vielmehr sollen jene Unternehmen
verstärkt zur Rechenschaft gezogen werden, die ihre Arbeitnehmer
nicht bzw. nur teilweise anmelden oder unter dem Kollektivvertrag
entlohnen.
Schwarzarbeit hat viele Gesichter. Besonders tückisch ist jene
Form, bei der betroffene Arbeitnehmer laut Vertrag nur das
geringst mögliche Grundgehalt bekommen, in Wirklichkeit zahlt
der Arbeitgeber jedoch viel mehr aus. Der Haken: Alles was über
dem Grundgehalt liegt, ist "schwarz". Der Arbeitgeber
spart sich dafür Abgaben an die Sozialversicherung. Der
Arbeitnehmer schaut im Bedarfsfall durch die Finger: Die Höhe
von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Arbeitslosenunterstützung und
Pension hängen vom offiziellen Grundgehalt ab, und da kann es
bei solchen Praktiken zu ordentlichen Einbußen kommen. Besonders
häufig kommt diese Form von Schwarzarbeit im Gastgewerbe vor.
"Einsatzgruppe gegen
Pfusch"
Wie dringend Handlungsbedarf gegeben ist, zeigen jüngste
Berechnungen der Arbeiterkammer. Demnach entgehen dem Staat durch
Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter "schwarz" arbeiten
lassen, 83 Milliarden Schilling im Jahr. Zum Vergleich: Insgesamt
wurden Österreichs Unternehmen 1997 zu Geldstrafen in der Höhe
von 61,3 Millionen Schilling verurteilt.
![]() Nachbarschaftshilfe, wie sie etwa jedes Wochenende in ganz Österreich bei den "kleinen Häuslbauern" oft geleistet wird, soll es weiterhin geben |
Behindert wird derzeit die wirksame Bekämpfung der
Schwarzunternehmer vor allem dadurch, daß viele verschiedene
Stellen für die Kontrolle und Bestrafung zuständig sind.
"Es sind so viele Behörden betroffen, daß die Ermittlungen
an der Zusammenarbeit der einzelnen Instanzen scheitern",
berichtet Josef Macek, der in der Gewerkschaft
Metall-Bergbau-Energie einen Arbeitskreis zum Thema Schwarzarbeit
eingerichtet hat.
* Für die nicht
angemeldete Beschäftigung sind Sozialversicherung und
Bezirksverwaltungsbehörden zuständig.
* "Geschäfte ohne
Rechnung" werden vom Finanzamt und somit vom
Finanzministerium geahndet.
* Die Verfolgung der
illegalen Ausländerbeschäftigung fällt in die Kompetenz des
Arbeitsinspektorates, das zum Sozialministerium gehört.
* Für Verstöße gegen die
Gewerbeordnung ist die Gewerbebehörde zuständig, die wiederum
Teil des Wirtschaftsministeriums ist.
"Illegale Beschäftigung könnte viel besser verfolgt
werden, wenn eine eigene Kontrollbehörde geschaffen wird, die
über eine bundesweite Einsatztruppe verfügt", faßt
ÖGB-Sozialexperte Achitz zusammen. Zudem sei eine verbindliche
Zusammenarbeit und Abstimmung aller betroffenen Behörden
notwendig und Prüfungen müßten auch am Wochenende vorgenommen
werden. "Viele Arbeitgeber wissen, daß die
Kontrolltätigkeit der Behörden nur zu den normalen Bürozeiten
stattfindet und konzentrieren daher ihre Schwarzarbeit auf das
Wochenende oder die Abendstunden", weiß Josef Macek.
Besonders hart trifft das Schwarzunternehmertum ausländische
KollegInnen. Überdurchschnittlich viele Menschen, die aus
Nachbarländern kommen, sind in den Branchen Gastronomie,
Dienstleistungen, Bau und in der Landwirtschaft tätig. Während
die Unternehmer von den Illegalen profitieren, sind diese selbst
oft arm dran. Rudolf Kaske, Vorsitzender der Gewerkschaft Hotel,
Gastgewerbe, Persönlicher Dienst: "Viele ausländische
KollegInnen kommen hierher, weil sie sich das große Geld
erhoffen. Die Arbeit in ihrem Heimatland geben sie dafür
natürlich auf." In Wirklichkeit werden die betroffenen
ArbeitnehmerInnen von den Unternehmern schamlos ausgenutzt. Kaske
schildert: "Viele der illegalen Ausländer erhalten weniger
Lohn als ihnen versprochen wurde. Oft werden sie sogar um ihr
ganzes Gehalt geprellt. Und meist müssen diese Helfer wesentlich
mehr schuften als ihre österreichischen Kollegen." Die
Hotellerie und das Gastgewerbe sind jene Branchen, in denen am
häufigsten Schwarzarbeiter aus dem Ausland beschäftigt sind.
Bis zu 83 Prozent der Mitarbeiter helfen in der Hochsaison ohne
offizielle Anmeldung mit.
![]() Technische Werkstätten beschäftigen besonders viele illegal Beschäftigte |
Neben Bauwirtschaft und Gastronomie werden die Arbeitsinspektoren
vor allem in der Landwirtschaft fündig. Zu den Erntezeiten
werden ganze Busse mit Ausländern nach Österreich gekarrt.
Offiziell machen diese Leute drei Wochen lang Urlaub, inoffiziell
ernten sie Erbsen und Bohnen oder graben Spargel und Kartoffeln
aus. Die meisten von ihnen kommen aus benachbarten Ländern wie
Ungarn, der Slowakei oder Polen.
Tricks der Pfusch-Unternehmer
Schwarzunternehmer-Experte Macek schildert, wie viele
Schwarzarbeiter am Bau behandelt werden: "Die werden Montag
früh nach Wien gekarrt und schlafen oft auf der Baustelle unter
extremen Bedingungen. Am Freitag kommt dann der Boß mit dem
Geldkoffer und zahlt sie aus. Am Wochenende fahren sie mit dem
Schwarzgeld wieder nach Polen zurück." Viele Bauunternehmer
bedienen sich eines Tricks: Sie lösen nach Beendigung der
Baustelle die Firma flott auf und gründen den nächsten Betrieb
mit neuer Firmenadresse, neuem Geschäftsführer und Inhaber.
Der Gesetzgeber konnte dem Pfuscherunwesen zumindest teilweise
einen Riegel vorschieben: Wird ein Unternehmer zweimal beim
Sündigen erwischt, bekommt er keine öffentlichen Aufträge
mehr. Das gilt auch für beauftragte Subunternehmer.
Ausländische KollegInnen, die illegal beschäftigt werden,
kommen gleich zweimal zum Handkuß. Einerseits werden sie oft
schamlos ausgebeutet und andererseits werden sie gerne pauschal
als "Schwarzarbeiter" an den Pranger gestellt. Dabei
widerlegen die Untersuchungen vom Linzer Universitätsprofessor
Friedrich Schneider die Vorurteile, laut denen illegale
Beschäftigung vor allem auf das Konto ausländischer
ArbeitnehmerInnen geht. 70 Prozent, so Schneider, der illegal
Beschäftigten sind Österreicher. "Ausländische
Arbeitskräfte als Sündenböcke darzustellen, ist ein billiges
Ablenkungsmanöver von jenen, die davon am meisten
profitieren", kritisiert Achitz.
![]() Quelle: EU-Kommission/International Times/Uni Linz |
Forderungen des ÖGB
Das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit soll im Herbst
beschlossen werden. Dazu die wichtigsten Forderungen des ÖGB:
* Anmeldung zur
Sozialversicherung noch vor Dienstantritt.
* Eine bundesweite
Einsatztruppe sollte uneingeschränkt Zugang zu Betriebsstätten
haben.
* Jeder Arbeitnehmer sollte
eine Chipkarte bekommen. Ein Foto verhindert, daß mehrere
dieselbe verwenden.
* Einheitliche
Ansprechstellen für die Öffentlichkeit, die jederzeit
erreichbar sind.
* Und schließlich fordert
der ÖGB wirksamere Strafen für Schwarzunternehmer: Abschöpfung
des aus der illegalen Beschäftigung resultierenden
wirtschaftlichen Vorteils. Sperre bei Auftragsvergabe durch die
öffentliche Hand. Rückerstattung von Subventionen. Bei krassen
Verstößen soll die Gewerbeberechtigung entzogen werden.
Tracy Tweed
Quelle: Solidarität - Die Illustrierte des ÖGB, Juni 1998